Viele BesucherInnen empfinden die Film-Halbkuppel als Fremdkörper
Im Juni 2019 ist es passiert. Seit diesem Zeitpunkt bereichert ein zeltförmiges, beigefarbenes Halbgebilde den Innenhof des Zwingers. Ergänzt er aber tatsächlich den barocken Hof oder wird er vielmehr als störend empfunden?
Zunächst muss der Sinn der neuen Gestaltung geklärt werden. Und da spielt die größte Hochzeit des 18. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Denn hier heiratete der Kurprinz Friedrich August die Habsburger Königstochter Maria Josepha – und zwar wochenlang. An eben dieser Stelle auf den wichtigen Hauptwegen des Zwinger-Innenbereiches stand die Chaoskugel. Von hier aus startete das Jupiterfest, ein barockes Reiterfest mit über 1500 kostümierten Akteuren. Und eben diese prunkvollen Feierlichkeiten des Sohnes von Kurfürst August dem Starken holt das Schlösserland Sachsen für die BesucherInnen in die Kuppel. Per filmischem Material, das acht Minuten lang gezeigt wird, sollen die Gäste die historischen Feierlichkeiten vor 300 Jahren authentisch erleben. Der Inhalt besteht aus animierten Zeichnungen, die eingefärbt wurden – sowie aus Kupferstichen.
Die audiovisuelle 270 Grad-Projektion zieht derzeit fast 1000 Besucher pro Tag in ihren Bann – oder vergrault sie ein wenig. Denn viele Passanten, Spaziergänger und Zwinger-BesucherInnen fühlen sich in ihrem freien Blick auf die Sichtachse gestört. Die kleine Flucht aus der Stadt wird sogleich wieder durch eine Event-Kuppel mit Eintrittspreis verhindert. Die Orangenbäumchen duften zwar, der barock gestaltete Innenhof liegt kunstvoll da und rahmt die Gebäude ein – doch das Ensemble aus den Brunnen, der Architektur, den Galerien sowie den Pavillons verschwindet bei der Betrachtung. Denn davor prangt ein Outdoor-Zeltkino.
Erwähnt werden muss jedoch – der Vollständigkeit halber – die Verzögerung der Bauarbeiten in der Bogengalerie L. Hier sollte das filmische Material ursprünglich gezeigt werden. Um das Jubiläum der Jahrhundert-Hochzeit aber pünktlich begehen zu können, fiel die Idee dieser Zelt-Übergangslösung. Die Bauarbeiten und Restaurierungen der letzten Jahre sollten natürlich als positiv betrachtet werden. Und schließlich ist es angedacht, dass der Übergang in einem Jahr endet. Dann soll die Zelt-Kuppel abgebaut und die Show in der restauierten Bogengalerie L präsentiert werden.
Falls Schulklassen nach der jetzigen Filmvorführung in der Kuppel eben jene Erlebnis-Ausstellung besuchen möchten, so sind sie ab September 2020 dazu eingeladen. Hier stellt sich den SchülerInnen dann während ihres Tagesausfluges oder ihrer Klassenfahrt die Entwicklung des Zwingers bis in die Gegenwart hinein dar. Ein guter Grund ist dies, von der Vergangenheit in die Zukunft zu blicken. Ein kleines bisschen wird es dann wie die derzeitige Aussicht von der Zelt-Kuppel in Richtung Bogengalerie sein.