Das Lügenmuseum Radebeul ist eigentlich kein Museum, es ist eine weltweit einzigartige, anarchistische Galerie. Ein Panoptikum der obskuren Phänomene, mysteriösen Geschichten und verborgenen Wahrheiten. Ein Gesamtkunstwerk und ein AnaLogchronismus, dessen natürliche Ordnung jetzt durch einen nicht verlängerten Mietvertrag an eine Grenze gelangt ist. Ein Ort, welchen die Schüler während der Klassenfahrt nach Dresden unbedingt noch einmal besucht haben MÜSSEN! Ein letztes Mal vielleicht, bevor dieses wundervolle Kuriosiätenkabinett für immer schließt und die Welt um ein Mysterium ärmer wird.
Um nur mal eine der überschwänglichen Bewertungen von Trip Advsior zu zitieren:
„… wir waren wirklich beeindruckt von der Kreativität, dem Witz, dem Sarkasmus und der Bildgewalt die auf uns einwirkte. Ein Museum ohne Grenzen. Man sollte neugierig sein, nehmt das Telefon, hört das Radio 20 Minuten nach Untergang der Titanic. Für die Großen gibt’s viel Ironie, für die Kleinen ist es einfach ein riesiges Wunderland.“
Das Erbe des Baron Münchhausen
Die Geschichte des Lügenmuseum Radebeul geht auf eine vorgebliche Emma von Hohenbüssow zurück, Urenkelin des Barons Münchhausen, welche sich im zarten Alter von elf Jahren statt einer Puppenstube ein Museum wünschte. Und bekam. Dort sammelte das wunderliche Kind Dinge, die es gar nicht gibt: Das Loch aus Mozarts Zauberflöte gehört dazu. Und der konservierte Originalklang der untergehenden Titanic. Wiederentdeckt wurde die Sammlung schließlich von Dadaisten in einem Blauen Pavillon in Kyritz an der Knatter
Das Gehirn hinter dem transzenten Gebilde ist ein gewisser Richard von Gigantikow, seines Zeichens Objektkünstler, dessen Skulpturenlabyrinth zum jährlichen Besucherhighlight des Herbst- und Weinfest in Radebeul gehört. Der in Erfurt geborene Gigantikow, der mit bürgerlichen Namen Reinhard Zabka heißt, ist ein Kind des legendären Prenzlauer Künstlerkiezes. Schon zu DDR-Zeiten ein Dissident. Und erforscht heute als Kurator des Lüseums und Nationaltherapeut die Abgründe deutscher Befindlichkeiten. Sein Forschungsgebiet: Nationalismus, eine regional verbreitete und heilbare Hysterie. Der Künstlername Gigantikow ist dabei abgeleitet vom brandenburgischen Ort Gantikow. Hier war das Lügenmuseum bis 2011 in einem Gutshof zu Hause, bevor ein Immobilienhai zubiss.
Seit 2012 agitiert Gigantikow nun in guter Sache vom Gasthof Serkowitz in Radebeul aus. Wurde hier 2016 mit dem Radebeuler Kunstpreis ausgezeichnet und immer etwas stiefmütterlich behandelt. Die Stadt stellte den leerstehenden Gasthof nur als Obdach auf Zeit zur Verfügung. Über diese treuhänderische Nutzung hinaus wurde Reinhard Zabka bei aller vermeintlichen Wertschätzung seiner Kunst aber wohl keine besonders üppige Unterstützung zuteil. Vielleicht ist das Verständnis des sächsischen Kulturestablishments ja etwas zu orthodox, um das wahrhaftige Potenzial hinter Zabkas Kuriositätenkabinett zu erkennen.
Eine Schatzkammer voller Kuriositäten
Es gibt Lügen, bei denen der Spaß aufhört! Und dann gibt es Lügen, bei denen der Spaß überhaupt erst beginnt! Noch kann die Schulklasse im Lügenmuseum Radebeul ein ebenso phantastisches wie skurriles Wunderland zwischen Wahrheit und Illusion besuchen.
Auf zwei Etagen und in inzwischen 17 Ausstellungsräumen erwartet die Schüler hier ein gigantisches, surrealistisches Universum. Eine Sammlung von Dingen, die nicht existieren können und welche man so noch nie gesehen hat. Vom Atelier des Dissidenten führt der Weg in Fontanes Wanderschuh durch das Kabinett der Träume bis zur Kathedrale des Sozialismus. Ein herrlich konfuser Kosmos aus Exponaten, die mit allen Sinnen des Betrachters Achterbahn fahren. Ein furioser Reigen aus Klamauk, bizarren Apparaten und Mechanismen, die an die Sinnlos-Maschinen des berühmten Schweizers Jean Tinguely erinnern. Die Schüler begegnen hier beispielsweise der Psychedelica Maschinka, welche dem Sinn des Nichts nachspürt. Eine höchst gefährliche, antitotalitäre Apparatur, welche bei ihrem ersten Einsatz den Fall der Berliner Mauer verursachte. Selbst van Gogh hätte den Beton brechen hören, wäre sein Ohr nicht in einer Vitrine im Museum ausgestellt.
Was die Schüler hier während ihrer Klassenfahrt nach Dresden erwartet, haben Künstlerkollegen von Gigantikow immer wieder als einzigartige Wunderkammer bezeichnet. Professor Johannes Heisig, Maler und Sohn des Malers Bernhard Heisig und Freund und Förderer des Lügenmuseum Radebeul, gehört dazu.
Es sind aber nicht nur die liebenswürdigen Miniaturen und Skurrilitäten, die den Reiz des Hauses ausmachen. Viele der Exponate tragen den Geist des Widerstandes gegen das DDR-Regime in sich. Es sind Erinnerungen an die widerspenstigen Künstler dieser Zeit. So können beispielsweise Videointerviews mit Akteuren der friedlichen Revolution von 1989 über eine Klingelknopf-Tastatur abgerufen werden. Ein wiederentdeckter Raum aus einem 1976 besetzten Haus neben dem Erfurter Augustinerkloster ist mit seiner Kunstsammlung originalgetreu nachgebaut worden. Und ein Kapitel ist der Biografie Reinhard Zabkas gewidmet. Die jetzt zumindest im Gasthof Serkowitz zu Ende erzählt zu sein scheint.
Zur bitteren Wahrheit gehört nun leider, dass dieses wunderbare Museum schließen muss. Reinhard und Dorota Zabka, die Betreiber des Museums, teilen mit:
„Das Lügenmuseum wurde zum 31.08.2024 gekündigt. Rechtlich haben wir dagegen keine Chancen. Eine Räumung zerstört ein einzigartiges Gesamtkunstwerk. Schreibt dem Oberbürgermeister Bert Wendsche oder den Medien. Geht so weit wie Ihr könnt, den Rest erledigen der Wind und der Regen.
Herzlich Dorota und Reinhard“
Öffnungszeiten und Preise
Auch die offiziellen Öffnungszeiten und Preise des Lügenmuseum Radebeul, die sich außerhalb der Ferien auf die Wochenenden beschränken, entsprechen nicht ganz der Wahrheit. An der Tür hängt ein Schild mit der Bemerkung, dass „auf gut Glück“ offen sein kann. Schulklassen, die während der Klassenfahrt nach Dresden die Gunst der glücklichen Fügung nicht dem Schicksal überlassen möchten, vereinbaren einfach eine private Führung unter der Woche. Noch habt Ihr die einmalige Gelegenheit dazu. Zu den Konditionen und vielen weiteren bezaubernden Impressionen, bitte HIER entlang.
Extra-Tipp: Das reizvolle Städtchen Radebeul ist ein Kleinod im Elbtal bei Dresden und hat wegen seines milden Klimas den Spitznamen sächsisches Nizza erhalten. Die reizvolle Gegend kann die Schulklasse im Anschluss an den Museumsbesuch ganz wunderbar bei einem Ausflug mit der Lößnitzgrundbahn erkunden.
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